Dies ist ein Bericht von einem Tag, den ich bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht vollkommen realisiert habe.
konnte ich mir drei Wochen danach einen Läufertraum beim Würzburg-Marathon erfüllen.
Ich fange mit dem Vortag an.
...
Nachdem ich am Vormittag meine Sachen nach Checkliste und redundant gepackt habe, fahre ich am Mittag zu meinen Eltern raus, um das Wohnmobil zu übernehmen.
Um 14:30 komme ich in Würzburg an und habe nach dreimal umparken einen perfekten Platz ca. 150m von Marathonmesse und Start-, Zielbereich entfernt. Ich mache mich sofort auf, um meine Startunterlagen zu holen. Der Nudelgutschein wird gleich eingelöst, da ich bis zu diesem Zeitpunkt nur ein Jogurth und eineinhalb Nussschnecken gegessen habe. Auch am Freitag habe ich normal gegessen. Die Nudelportion mit Tomatensoße ist nicht allzu groß, schmeckt aber sehr gut.
Zurück zum Wohnmobil.
Ein kleines Nickerchen zum Ausruhen. Richtig schlafen kann ich nicht, aber es entspannt. Zuerst döse ich 45 min und dann schmöcker ich noch ein bißchen in der Procycling.
Um 17:00 bekomme ich Besuch von Freunden, die auch in HH waren. Auch er läuft innerhalb von 3 Wochen den zweiten Marathon. Wir hören uns zusammen im Womo das spannende Bundesligafinale an und machen uns dann noch mal auf den Weg zur Messe, um unsere Nudelgutscheine einzulösen. Da ich meinen schon verfuttert habe, geh ich zur Startnummernausgabe, um dort evtl. einen Extraschein zu schnorren. Es funktioniert. Ein Nachmelder will seinen Gutschein nicht und ich opfere mich für die Verwertung.
Tomatensoße ist aus. Es gibt Erbsen-Schinken Soße. Leicht, lecker, gut. Ein Erdinger Alkoholfrei dazu und die Damen der Band "Midnight Ladys" machen griesgrämig Soundchecks. Anscheinend funktioniert's nicht so gut und wir taufen die Combo kurzfristig um in "Mitleid Ladys" woraus im späteren Verlauf des Abends dann "Mitleid Girls" wird.
Um 20:15 wollen wir einen Sportskamerad und Womo-Mitschläfer vom Bahnhof abholen. Prächtig! In den 3 Minuten, die wir aus dem Zelt zur Straßenbahnhaltestelle gehen, durchtränkt uns ein Gewitterschauer von oben bis unten. Am Bahnhof kaufen wir noch Frühstück. Ein trockenes Brötchen. Den Tip hab ich mir bei einer 13-jährigen Marathonläuferin abgeschaut.
Außerdem werde ich von einer Junggesellinnen-Abschieds Gesellschaft gedrängt ein Teil meiner Unterhose raus schneiden zu lassen. Als Gegenleistung wird mir ein Pfläumli angeboten. Ich verweigere bezugnehmend auf meinen Marathontag. „Achhh!“ Da hätte die Junggesellin doch was für mich und zaubert ein rosa Schwein aus einem Korb.
"Das bringt Glück! Ein Euro!"
Toll, grad sollte ich noch was bekommen, jetzt soll ich ein Euro für ein häßliches Schwein mit noch häßlicherer Mütze zahlen, welches vermutlich schon zweimal von einem 40-Tonner überfahren worden ist. Wenn's hilft. Ich kaufe es.
Tschüß! ich muß zum Bahnsteig.
Hoppla! Dort angekommen vermuten wir, der Sportskamerad ist mitsamt seinem Fanclub angereist, aber es stellt sich raus, das es die Würzburger G-L-U-B-B Fans waren, die den achten Platz des 1.FCN feiern und fast den gesamten Zug in Beschlag haben.
Wir latschen zurück ins Zelt um Mitleid zu spenden. Jetzt ist Schluss mit Erdinger alkoholfrei. Die Endphase der Vorbereitung hat begonnen. Ich hol mir eine Halbe Pils. Die Mitleidgirls spielen schon besser und die Stimmung im Zelt steigt. Der Zustand der Leute läßt darauf schließen, das nur noch wenige Marathonis anwesend sind.
Wir haben eine Menge Spaß u.a. mit David, einem - wie sagt man ohne jemanden zu nahe treten zu wollen - Schwarzafrikaner mit Rastalocken. Er behauptet mit seinen anderthalb Promille steif und fest er läuft schneller als ich, weil er Afrikaner ist und Afrikaner laufen nun mal schneller als Europäer, das ist Fakt. Vorgestellt hat er sich übrigens mit den Worten
"Hello, were are you from. I'm Underfrangge."
Ein lustiger Typ. Wir wetten wer schneller läuft um ein Bier und verabreden uns für den nächsten Tag um 9:00 am Start. Um es vorweg zu nehmen. Er war nicht da. ;-)
23:00 Uhr und drei Radler später machen die Midnight Ladys ihrem Namen keine Ehre und erklären ihr Programm für beendet.
Es reicht auch. Ich habe die nötige Bettschwere. Ein lustiger Abend ist zu Ende. Ohne irgendetwas rausgelegt zuhaben hauen wir uns auf's Ohr.
Der Tag des Marathons 14.05.2006:
Der Wecker ist auf 6:15 gestellt, aber wir werden vorher vom Regen geweckt, der auf's Wohnmobil prasselt. "Egal" denke ich mir. Bis zum Start sind's noch fast drei Stunden, da kann sich noch viel ändern. Ich döse bis halb, mach dann Mucke an und leg mich noch mal hin. Kurz vor sieben, der Regen hat aufgehört und es kommt Leben in die Bude. Routiniert habe ich relativ schnell mein Körper mit Brustwarzenpflaster und Creme präpariert, mein Zeug rausgelegt und Kaffee gekocht. Mein Sorgenkind, das linke Knie fühlt sich an als ob eine kraftvolle Riesenpranke das Knie umschließt, fest zudrückt und mir den Daumen in die Kniekehle bohrt. Ein leichter Krampf in der Kniekehle? Gibt es so was? Ein komisches Gefühl, aber ich bin irgendwie gelassen.
Um halb acht bekommen wir Besuch von den Freunden von gestern. Wir sitzen im Wohnmobil, trinken Kaffee, ich zuzell an meinem blanken Brötchen und wir beobachten das entstehende Chaos auf dem Parkplatz aus den Fenstern. Es ist schon wieder lustig und völlig entspannend.
8:10 Langsam steigt die Nervosität bei mir. Ich gehe zum Einlaufen, höre bewährt Iron Maiden und drehe vier große Runden auf dem Chaosparkplatz. kurze Steigerungen.
8:30 leichte Schweißperlen zeugen davon, dass ich warm bin. Die Pranke um's Knie hab ich während des Laufens abgeschüttelt. Ich fühl mich sehr gut.
Kurz im Wohnmobil, entscheide mich doch für die weiße Kappe, anstatt der Schwarzen aus HH. Dazu trage ich ein weißes Shirt mit hellblauem Singlet drüber. Dunkelblaue Tight wie in HH. Schuhwerk: Meine Brooks Axiom.
8:45 ich betrete den Startblock. Die Konzentration steigt automatisch und wird nur dadurch unterbrochen, daß ich mich über zwei Läufer ärgere, die mit einer viel schlechtern Zielzeit meinen, sie müßen in der vierten Reihe stehen. Sieh zeigen sich einsichtig und gehen weiter nach hinten.
8:55 wieder Konzentration. Von hinten drängeln sich zwei Personen nach vorne. Ein Typ mit blauem Singlet und ein Mädel mit rotem Shirt, das eine Statur wie Jule Aßman hat - 1,55m 40kg aber 27 Jahre. Beide sind Zugläufer und haben Luftballons auf welchen "2:59" steht. Wie ich später mitbekomme, sind sie ein Ehepaar.
Stefan Schmidt (Nr. 1675 – PBZ 2:46) und Friederike - „Rike“ - Back (Nr 31 – PBZ 2:56). Ich werde mich im gesamten Verlauf des Marathons nicht weiter als 7 Sekunden von Ihnen entfernen.
9:02 Ein Mörder-Kanonenschlag startet das Rennen. Rike läßt Ihren gelben Ballon auf den ersten hundert Metern bereits fliegen. Ich halte mich an den roten von Stefan.
9:14 Die ersten drei km in 12:02 min.
Hossa, ganz schön schnell!
Stefan braucht noch einige Kilometer um das Tempo zu finden – oder ich? Mal ist er 50 Meter weg, mal bin ich direkt hinter ihm. Ich versuche vorerst ein für mich konstantes Tempo zu laufen.
9:27 bei km 6 haben sich alle eingelaufen und einsortiert. Mit einem Schnitt von 4:07 sind wir aber sehr zügig unterwegs. Ich fühl mich wohl.
9:43:35 Kilometer 10 in 41:35, d.h. knapp 4:10 min/km. Höllisch schnell. Ich dreh mich um. Vor und hinter uns sind große Löcher. Ich überlege und entscheide obwohl es zu schnell ist, daß ich an Stefan und Rike dran bleib, da es relativ windig ist und man in der großen Gruppe Windschatten hat. Die Gruppe ist ca. 30 Mann und eine Frau stark. Noch sind die Halbmarathonis dabei, die den Halben unter 1:30 laufen wollen.
Zwischen km 10 und 11 hat der Regen große und teilweise tiefe Pfützen hinterlassen. Dadurch gibt es immer wieder Unruhe in der Gruppe. Keiner will in die Pfützen latschen und sich nasse Schuhe holen. Die ein oder andere Berührung mit Arm und Bein ist an diesen Stellen unvermeidbar.
Erhöhte Sturzgefahr!
Man muß sich wirklich konzentrieren. Es laufen maximal drei nebeneinander. Ansonsten geht es aber sehr sportlich zu. Getränke werden an den Verpflegungsstellen immer durchgereicht, damit die die nix erwischt haben auch was bekommen. Im Süden der Strecke haben sich zu dem zwei super Bands postiert. Es macht Spaß.
10:13 km17 es ist nicht viel passiert zwischenzeitlich. Wir laufen immer noch knapp unter 4:10 - eher 4:09. Jetzt geht es in die Altstadt von Würzburg. Sehr viel scharfe Kurven, Mülleimer, Bänke, Straßenbahnschienen, Kopfsteinpflaster, Samba Band und super Stimmung. Eine Mischung aus Gefahr und Vortrieb.
10:21 Km 19 wir laufen an dem 40km Schild vorbei. Ich hab die Hosen voll, wenn ich daran denke, daß ich hier in gut anderthalb Stunden wieder die Kopfsteinpflasterpassagen laufen muß. Aber dann sind es nur noch 2km. Alter Schwede! Bin gespannt wie's mir da geht.
10:29:52 km 21,1 Der Zielsprecher ruft
"Da ist die 3-Stunden-Gruppe. Boooahh, die sind schnell unterwegs!"
Halbmarathon in 1:27:52 (4:10) d.h. wir sind auf 2:55:44 Kurs.
Ohhh Gott, wenn das mal gut geht!
Es geht in die zweite Runde. Unsere Gruppe verkleinert sich durch den HM nur wenig. Mit eingefangenen Läufern sind wir immer noch gut 20 Mann (und eine Frau).
km 22 Sascha Burkhardt vom TSV Ebermannstadt kommt uns entgegen. Mit ihm und der Nürnberger Marathoninstanz, Hannes Schmidt, durfte ich im Februar mal in einer 6er Gruppe einen 26km-Lauf absolvieren als er gerade aus dem Trainingslager kam (Wochenleistung über 200 km !!). Im Rennen ist er an dritter Position und wird diese auch mit einer Zeit von 2:26:24 als bayerischer Meister im Ziel halten. Nur die zwei Kenianer sind vor ihm. Ich will ihm etwas motivierendes Zurufen, schreie aber nur "Saschaaaa!". Er kuckt und wundert sich. Der arme Kerl läuft wirklich mutterseelen allein, ca. 6 Minuten vor ihm die Kenianer und hinter ihm ist auch nix zu sehen. Nicht mal ein Radfahrer an seiner Seite. Nur Wind und Pfützen sind seine Begleiter. Da haben wir es in der üppigen 3-Stunden Gruppe richtig luxuriös und gemütlich.
10:44 km 24,5 eine scharfe Linkskurve. Manche laufen über den Bordstein, auf dem eine Toilette steht. Wie bei einem Kreisverkehr laufen die einen links, die anderen rechts vorbei. Danach kommt es zum Zusammenschluss und alle versuchen sich wieder einzuordnen.
Da passiert es!!
Der Wolfgang-Petri Typ aus unserer Gruppe, prallt mit einem von rechts kommenden Läufer zusammen und macht sich vor mir komplett lang. Ich springe gerade so über seine Haxen und sehe noch aus dem Augenwinkel, wie der Unfallgegner umdreht und "Wolle" aufhilft. Da der Sturz an vierter Position passiert ist, ist die Gruppe etwas zerrissen. Sie findet aber auf 300 Metern wieder zusammen. Auch "Wolle" ist nach 400 Metern in bester Lance-Manier wieder da und reiht sich gleich wieder vorne ein.
11:16 km 32 es ist nicht viel passiert. Die Gruppe umfasst immer noch gut 20 Mann. Die tiefen Pfützen haben wir wieder hinter uns gelassen. Das Tempo ist jetzt etwas langsamer bei 4:14 min/km. Obwohl die Muskeln schon etwas härter werden fühl ich mich immer noch gut. Keine Schmerzen und mit dem Magen-Darm ist auch alles i.o. Eigentlich hat das Rennen auch noch nicht angefangen. Spätestens ab km 35 wird es für jeden persönlich zur Sache gehen. Ich habe einen heiden Respekt vor den letzten 10km.
11:23 km 34 Urplötzlich wird das Tempo vorne flotter. Jetzt tut es langsam weh. Was ist los? Geh ich grad kaputt? Der Zwerg von Rike schlägt ein sehr hohes Tempo an. Ihr Mann Stefan läuft neben Ihr. Ich bin ziemlich weit vorne und geh auch mit. Jetzt geht es auch noch diese scheiß Brücke zur Schnellstraße hoch. Rechts sind noch paar Büsche und Rike langt sich mit zwei Händen an die Hose und ist schon rechts in den Büschen verschwunden. Bei mir klingelt’s, aber ich bin irgendwie platt. Stefan ist alleine vor mir und hat ein 10 Meter Loch gerissen. Das gibt's doch nicht. Das muß doch zu gehen. Ich bemühe mich. Und mit einem, der von hinten kommt schaffen wir es den Abstand zu verkürzen. Der Wind kommt scharf von links, also Nordwest. Stefans Luftballon steht praktisch rechts neben ihm und prallt immer an die Laternen der Brücke. Die Nächste Laterne! Und RATSCH, ab das Teil. Er verabschiedet sich im Steigflug Richtung Südosten.
Mist, was soll das denn jetzt heißen?
Resümee der Konrad-Adenauer-Brücke:
Drei Stunden Luftballon weg! Gruppe zerschossen!
Wir sind noch 4 oder 5 Leute!
11:29 km 35 "Ich bin wieder da!" Schallt es fast fröhlich von hinten und der Floh mit dem roten Shirt läuft wieder nach vorn zu ihrem Mann. Die Dame hat heute definitiv mehr drauf als diese verschissenen 3 Stunden.
11:33 km 36 Seit km 26 nehme ich übrigens im Abstand von ca. 2-3 km (je nach Verpflegungsstellen) Squeezys zu mir. Kurz vor km 36 ist eine weitere Verpflegungsstelle. Ich hau mir 50 Meter vorher ein Squeezy ins Gesicht. Wir laufen mit 5 Leuten auf die Wasserstelle zu. Es stehen drei Leute da mit je zwei Bechern. Eigentlich kein Problem, doch plötzlich bricht vor uns ein Läufer halb zusammen. Die Helfer halten die Becher immer noch in die Strecke, schauen aber zu anderen Seite. Ich habe die Chance zwei Becher zu entreißen.
Der Erste: KRATSCH!
Der Zweite: KRATSCH!
Zweimal rinnt mir Wasser durch die Hand und ich habe einen zersplitterten Plastikbecher in der Hand. Das Squezzy klebt im Hals, ich koche vor Wut auf die Helfer und lecke das restliche Wasser von meiner Hand ab.
(Sorry, das ist nur im Affekt des Wettkampfs. Ihr Helfer macht wie immer einen tollen Job. Danke! Aber Papierbecher wären gut.)
11:37 km 37 wir laufen immer noch einen 3-Stunden-km-Schnitt von 4:15 plusminus eine Sekunde, aber ich merke, wie langsam die Kraft schwindet. Es wird zunehmend schwerer die Hacken von Rike und Stefan zu halten. Ich glaub es sind nur noch ein bis zwei andere Läufer um uns rum. Ab 38 stehen die drei Kilometer durch die Altstadt bevor. Scharfe Kurven, Mülleimer, Bänke, Straßenbahnschienen, Kopfstein-pflaster, ... mir graut davor. Ich hoffe auf die Zuschauer.
Tragt mich ins Ziel, BITTE!
11:42 km 38 unter der alten Mainbrücke hindurch. Hier ist Samba total! Das pusht schon mal trotz leichtem Anstieg hoch zur Altstadt.
Wir laufen weiter. Es wird stiller und leerer. Hier waren vorher überall Zuschauer. Jetzt nur noch vereinzelt. Die Kaffees sind leer, eine Band baut ab oder macht grad Pause. Wo seid Ihr??? Ich brauch Euch!!! Mir geht es zunehmend schlechter. Die Tücken der Altstadt fordern zusätzlich Tribut. Zu fünft laufen wir aufgereiht hintereinander auf einer Linie von flachen Steinen, die zwischen dem Kopfsteinpflaster eingelassen sind.
11:48 km 39,5 Die Residenz links existiert nicht für mich. Ich gebe komische Töne von mir. Eine Mischung aus Schluchzen und Stöhnen. Richtig dreckig geht's mir jetzt. Ich laufe neben Stefan.
"Scheiße! Wo sind die Zuschauer?" bring ich grad so raus.
Er: "Wir haben Luft!"
Ich: "Ich nicht!"
Er: "Eineinhalb Minuten"
Ich: "Ich will’s nicht wissen!"
Mir dämmert’s: 2500 Halbmarathonis, deren Fans und Angehörige mittlerweile im Zielbereich sind dünnen die Zuschauer in der Altstadt richtig aus und ein großer Teil der Marathonangehörigen steht auf der anderen Main-Seite, um die Vierstundenläufer anzufeuern.
11:50 km 40 Stefan läßt sich zurückfallen. Rike ist vor mir. Fliegt immer noch Gazellen gleich über den Untergrund. Ich drücke Kilometer 40 ab und kucke nicht auf die Uhr. Auf die Uhr schauen wäre jetzt wie bei einem Ausreisversuch zurückzuschauen. Eine Schwäche! Ich will das Tempo halten und MAX geben. Ich beiß die Zähne zusammen. Blecke sie dabei. Meine Augen sind zugekniffen. Mein Blickfeld ist nicht 16:9 sondern 50:9. In dem Schmalen Streifen sehe ich nur Rikes Hacken hoch und runter gehen. Es gelingt mir dran zu bleiben, aber sie nimmt immer wieder raus, schaut sich um, läßt mich überholen, kommt wieder vor.
Was macht sie? Hat Stefan jetzt auch Probleme? Ich kann es mir nicht vorstellen.
Ich weiß nicht mehr, ob sie mich noch über die alte Mainbrücke zieht. Auf jeden Fall läßt sie sich irgendwann zurückfallen. Ich laufe den letzten Kilometer alleine. Ich bin mir immer noch nicht sicher ob ich es schaffe.
Die rechte Wade zuckt in einer Rechtskurve.
Mir bleibt fast das Herz stehen!
Trance! Laufen!
KM 42 leicht bergab, links Kurve, ich seh das Ziel, jetzt bin ich mir sicher.
Ich schaff’s!
Ich laufe nicht schnell, nicht langsam, einfach Laufen. Das Surren und Piepen der Zeitmessmatten ist ein Violinenkonzert. Ich krieg noch eine Beckerfaust zustande und laufe über die Ziellinie.
2:58:25
steht auf meiner Uhr (offiziell wird es eine 2:58:20).
Fassungslosigkeit!
Gefühlsexplosion!
HAPPY! WAHHHNNNSIIINNNNN!!!
Dag und Claudia stehen direkt am Zielbereich und sind meine ersten Gratulanten. Ich bin sowas von Happy. Gibt es gar nicht! Die Beiden warten noch auf Dirk, der leider bei seinem dreizehnten Marathon zum zweiten Mal knapp an den Vier Stunden scheitern wird.
Aber Dirk, Du hast Potential mindestens für 3:30! Doppelschwör!!! ;-)
Ich mache mich auf den Weg in die Zielverpflegung. In der nächsten halben Stunde laufe ich wie ein kleiner Vulkan umher. Ständig geschüttelt von Gefühlserruptionen. Ich unterhalte mich mit andern Läufern aus der ehemals großen Gruppe. Immerhin sind 20 Leute nach mir auch noch unter 3 geblieben. Einige haben es geschafft, andere nicht. Bei Stefan und Rike bedanke ich mich natürlich auch noch persönlich nachdem sie ihre ganzen Interviews gegeben haben.
Die beiden sind DAS Läuferpaar in Würzburg.
Auf den letzten 2195 Metren habe ich übrigens 48 Sekunden eingebüßt. Gut das ich nicht mehr auf die Uhr geschaut habe. Sonst hätte ich möglicherweise noch ein psychisches Problem bekommen.
Meine Zeit wäre ohne den Einbruch 2:57:32 gewesen. Eine Sekunde entfernt von Schätzungen bekannter Marathon Instanzen ;-))) Hammer!
Um ca. 14:00 Uhr haben wir den Heimweg angetreten. Bei meinen Eltern habe hab ich zum Muttertag ein schmuziges Wohnmobil für lecker Spargelsalat mit Latte Machiato eingetauscht. Toll wa? Aber das holen wir nach. Versprochen! Es ging leider nicht anders ;-))
Am Abend hatte ich noch ein schöne Feier mit einigen Freunden, ohne die der Tag nur halb so schön gewesen wäre.
Meiner Familie, Freunden, Unterstützern, Ausrüstern, „Trainern“, Trainings-Tippgebern, den Marathonveranstaltern, Helfern, Zugläufern und „Anmichglaubern“ sei hiermit ein ganz herzliches
DANKE !!!
gesagt.
Ohne Euch wäre ich nichts und eine Sub-3-Marathonzeit wäre nie zustande gekommen.
ein glücklicher
Sub-3-Finisher
Christoph alias b-l-a-u