Montag, 11. September 2006

Alsterwasser statt Radler

Will man in Norddeutschland das im Süden auch als Radler bekannte, erfrischende Bier-Zitronenlimonaden-Gemisch ordern, sagt man "Ein Alsterwasser, bitte!". Alsterwasser ist aber auch die braune Brühe der Binnen- und Außenalster - ein aufgestauter See im Zentrum der Hansestadt Hamburg. Diese braune Brühe stellt eine Teilarena dar, welche von 6600 AthletenInnen des Hamburg City Man am vergangenen Wochenende betreten bzw. beschwommen wurde...Der anschließende Schauplatz erstreckt sich über weite Teile der Elbchaussee hinaus nach Blankenese und wird per Velo zweimal unter die Reifen genommen. Um die letzte Kampfbahn zu bewältigen werden die Wege um die Außenalster mit Turnschuhen bearbeitet.
Der Hamburg City Man.
Die größte Triathlonveranstaltung der Welt, verteilt auf zwei Tage im Herzen Hamburgs.
Und ich?
Dabei!
Der dritte Triathlon in Vorbereitung zum Projekt Roth 2007.
Olympische Distanz!
1,5 km Schwimmen, 40 km Radfahren und 10 km Laufen.

Freitag ist Anreisetag. Mit Ete, einem guten Freund und wie immer herzlichen Gastgeber bei meinen HH-Aufenthalten gilt es nochmal die Elektrolyte aufzufüllen. Tatort: Schanze!

Im Schanzenviertel findet am Samstag ein Straßenfest statt, welches durch einen Flohmarkt am Morgen eingeleitet wird. Das ganze ist natürlich nicht angemeldet. Gerade noch so bekomme ich mein Auto aus- und umgeparkt.
Heute liegen die Sprintdistanz der Jedermänner und der ITU Worldcup der Männer an. Wir holen die Startunterlagen ab und beobachten den Start der Elite-Männer. Ein tolles Spektakel. Den weiteren Verlauf des Rennens verfolgen wir auf den Tribünen des Rathausmarktes, der auch uns am Sonntag als Ziel dienen soll. Beim anschließenden Shoppen auf der Messe kommt ein günstiger Desoto Einteiler in die Tüte. Danach geht es zur Pastaparty und Wettkampfbesprechung, die wir aber nicht ganz mitbekommen, da wir uns sehr gut mit einem Mädel unterhalten, welche bei einem Wettkampf schon mal als zweite hinter Nicole Leder landete und am Sonntag vierte werden soll.
Anschließend begeben wir uns wieder ins Schanzenviertel um unsere Sachen zu packen, Helm und Rad mit Startnummern zu bekleben und unser Geraffel zu sortieren.
Fast schon resignierend schmunzelnd stelle ich fest, daß auf dem Parkplatz neben meinem Schlafzimmer ein DJ zum Straßenfest seine Turntables aufgebaut hat und diese auch schon mit gehöriger Lautstärke bearbeitet. Das kann ja ne schöne Nacht werden :-(
Aber alles halb so wild. Der DJ macht um 23.00 Schluß. Ich schlafe gar nicht so schlecht, bis um 6:30 mein Wecker klingelt. Das Wetter ist genialst. Keine Wolke und fast kein Hauch.
Um 8:30 haben wir unsere Räder und Klamotten in der Wechselzone am Ballindamm eingecheckt. Hier stehen knapp 2400 Räder in vier Reihen, d.h. 600 Räder in einer Reihe. Dazwischen je eine Kiste von der Deutschen Post, wo man sein Zeug reinschmeißen kann. Ich würde sagen das sind mindestens 700 m Wechselzone. Aber damit nicht genug. Wenn man später am Rathausmarkt aus dem Wassser steigt muß man erst noch "einmal um's Karee" und dann zur Wechselzone wetzen --> +300m mindestens = 1000m Extralauf.
Soviel zu den Rechenhausaufgaben und den Wechselzeitenzweiflern ;-)
Die Berechnung des Materialgesamtwert lass ich hier mal aus, da einem da schnell schwindelig werden kann.

Vaseline schmieren, Neo an, Schwimmbrille mit, Bademütze auf und Kleiderbeutel abgeben.
9.20 ist unser start. 20 Minuten vorher checkt man in die Vor-Startzone ein. 150 Mann, Frauen habe ich bei uns nicht gesehen.
9.10 Checkin Startzone.
9.06 ich springe in die 18°C warmkalte braune Brühe. An den Füßen ist es ganz schön kalt, aber mit Neo geht's schon.
9.10 Wir zählen mit runter 10, 9, ... 3, 2, 1, MÖÖÖP!


Los geht sie, meine "Lieblingsdisziplin". In Erlangen lief es für meine Verhältnisse ja nicht schlecht. Deshalb will ich auch hier nicht gleich abgehängt werden.
Ein Fehler! Nach hundert Metern meine ich das Atmen verlernt zu haben. Ich bin total im Eimer. Atemnot! Panik! Ich habe richtig Angst und erwäge auf dem Rücken zurück zum Start zu schwimmen!
Nach hundert Metern!!!!
Du Klappstuhl!
Das gibts doch gar nicht. Ok, ne gute Minute Brustschwimmen, Kopf aus dem Wasser, Lage checken und beruhigen. Langsam fange ich wieder an zu kraulen. Ich komme wieder in einen Rythmus, aber Spaß macht es nicht. Ich quäle mich. Nachdem ich die Lombardsbrücke auf Hin- und Rückweg zu Außenalster zweimal unterschwommen habe und Halbzeit ist, holen mich die ersten aus der nächsten Startgruppe ein. Fünf minuten später kommen mehr und ich bekomme ein paar Tritte und Schläge ab. Das tut nicht weh und wäre überhaupt nicht schlimm, aber meinen labilen Rythmus bringt es immer wieder durcheinander. Ich unterschwimme eine weitere lange Steinbrücke vor dem Rathausmarkt. Es ist eher ein Tunnel. Die Beleuchtung und die dicken roten Taue an den Wänden, die extra eingerichtet wurden, tragen zu meiner Beruhigung bei.
Um ca. 10.00 Uhr klettere ich am Rathausmarkt aus dem Wasser.
Ich will ja nicht sagen, daß ich mich wie Phönix aus der Alster gefühlt habe, aber sowas ähnliches war es ;-)


Jetzt geht's los! Erstmal 1000m Laufen. Da stellt sich mir die Frage ist es ein Triathlon, oder ein Duathlon mit Schwimmen vorher. Egal. Rad fahren, Jippie!
Das Umziehen klappt dank Einteiler sehr schnell. Das mit den Schuhen am Fahrrad und barfuß fahren sollte ich aber bald mal einführen, bzw. üben. Die erste Runde fährt gut und ist sehr kurzweilig, da ich einen Frauendreikampf der genau in meinem Tempo stattfindet und erbittert geführt wird beobachten kann. Mit einem anderen Teilnehmer kann ich bei Tempo 35 sogar die Rennsituation der Damen analysieren. Es macht Spaß.

In der zweiten Runde versuche ich nochmal eine Schippe draufzulegen, was mir auch gelingt. Bei dem hinteren Wendepunkt ist eine Verpflegungsstelle und ich versuche 10km vor Radende noch eine frische Flasche zu bekommen. Der Verpflegungspunkt ist unglücklich gewählt, da er direkt nach der 180° Wende ist, wo man noch ziemlich konzentriert auf das Wendemanöver ist. Aber nicht nur die Fahrer sind "verpflegungsunkonzentriert", sondern auch die Helfer. Ich bekunde mein Interesse nach Verpflegung schon im Wendepunkt mit einem lauten "JA!". Der erste Griff nach eine Flasche scheitert an dem Wiederwillen des Verpflegers die Flasche loszulassen. Da er ca. 120kg wiegt entscheidet die Massenträgheit für mich, die Flasche nicht zu bekommen. Der zweite Kerle ist etwas aufmerksamer und lässt die Flasche los als ich sie mir kralle. Ich kann die letzten 10km geniesen, obwohl ich auch auf den Druck achte. Oben an der Elbchaussee entlang mit Blick auf den Überseehafen, da kommen alte Erinnerungen auf, danach mit 50 km/h am Fischmarkt vorbeischiesen und an den Landungsbrücken langcruisen :-)) Das macht Spaß. 1000m vor dem Wechsel nehm ich raus und trete nur noch mit knapp 150 Puls. Der Wechsel klappt wieder gut, auch deshalb, weil es ein paar nette Helfer gibt, die mich Blödel in die richtige Radreihe brüllen.

Und jetzt geht die Party richtig los! Laufen! Eine 5km Lange Wendepunkztstrecke. Ich liebe es!


Mit meinen Axiom nehme ich Asphalt, Schotter, Rasen und Kopfsteinpflaster ins Visier und starte meine Aufholjagd. Schnitte zwischen 4:11 und 4:25 min/km habe ich auf den ersten 6 km. Ca. 500m vor dem Wendepunkt kommt mir Ete entgegen.
"Fang mich doch! :-)" sagt er auf seine trockene, liebenswerte Art und ich muß mich fasst schlapp lachen. Er ist ein sehr guter Läufer, also verschwende ich keinen Gedanken daran in noch einzufangen. Zwischen km 6 und 7 fängt plötzlich der rechte hintere Oberschenkelmuskel an auf blöd zu machen. Ich nehme raus und hänge mich an einen andern Läufer dran. Dabei bearbeite ich den Krampfansatz mit den Händen. Gott sei dank kommt noch eine Verpflegungsstelle, welche nebenbei bemerkt, auch hier relativ unaufmerksam besetzt waren. Ich schnappe mir zwei Isos, stürze sie in mich und der Krampfansatz verschwindet. Blinker links und weiter geht's. 4:33 min habe ich für km sieben gebraucht. Die nächsten zwei mache ich in knapp 8:40 und der letzte ist dank Endspurt und Zuschauer anfeuern eine 4:04.


Mit 2:44:23 erreiche ich das Ziel. Glücklich über meine Leistung auf dem Rad und beim Laufen, aber die Enttäuschung über das grottenschlechte Schwimmen sitzt auch noch sehr tief.
Ich sehe es so: Bis Juni 2007 habe ich noch ein dreiviertel Jahr Zeit und vor einem Jahr dachte ich auch noch, daß ich keine 5km auf dem Triaaufsatz fahren kann. Mit Übung ging das auch, denn ich fühle mich mitlerweile überhaupt nicht mehr unwohl auf dem Aufsatz. Das mit dem Schwimmen werd ich bis dahin schon noch einigermaßen unter Kontrolle bekommen.

Die Bilanz von Hamburg lautet.
Rang 888. von 2074 Startern bei einer Zeit von 2:44:23
Schwimmen 0:39:42 Rang (Disziplin) 1867
Wechsel1 0:05:44
Radfahren 1:13:03 Rang (Disziplin) 767 Schnitt 32,8 km/h
Wechsel2 0:03:01
Laufen 0:42:54 Rang (Disziplin) 270 Schnitt 4:17 min/km

Ein schöner Wettkampf, bei super Wetter, der super organisiert ist, aber auch noch nicht perfekt.
Als HH-Marathonläufer war ich vom Publikum enttäuscht, da es daran doch sehr gemangelt hat.

So das war's.
Ab nächstem Jahr wird rasiert ;-)

Gut's Nächtla
b-l-a-u

P.S.: Die Bilder sind bis auf das letzte vom Eliterennen der Männer am Tag zuvor.

Buchstabendosis erhoehen ...