Quelle Challenge 2008 – Flip im Regen - Teil III
180km Rad- Nachdem ich mein Rad noch ein bisschen zuviel des Guten auf dem Asphalt Richtung Brückenauffahrt schiebe, fordert mich eine Dame auf, mein Fahrgerät endlich zu besteigen. Shit, ich dachte der Radstart wäre an der Check-In-Linie von gestern.
*grrrr* - „wertvolle“ 10 Sekunden verschenkt!!!
Egal! Jetzt beginnt sie also. Die Disziplin, wegen deren Training ich jetzt hier in der Pisse rum fahre und nicht letztes Jahr bei besten Bedingungen gestartet bin. Radfahrtraining: Ein Schlüsselbein habe ich dabei verschlissen. Ok, sagen wir Teile davon. Ist ja Gott sei Dank wieder einigermaßen gut verheilt.
Vielleicht hat es ja auch was gebracht, zweimal zu trainieren.
Auch diese Disziplin habe ich mir in vier Stücke eingeteilt.
Greding, Eckersmühlen, Greding die zweite und ab dafür nach Roth.
„Dann lass uns erstmal nach Greding reiten, mein Schimmel.“
Auf der Kanalbrücke steht wieder mein Bruder, den ich mit einem schnellen Wechsel wohl etwas überrascht habe. Trotzdem bin ich mehr als begeistert von dem Enthusiasmus, den er mir beim Anfeuern entgegen bringt. Schade, dass aufgrund des Wetters ein besonders euphorischer Fan nicht dabei ist. Jonas, mein Neffe und Patenkind. In Gedanken an ihn fahre ich die ersten Kilometer Richtung Eckersmühlen.
Vom Umgebungsmedium her, unterscheidet sich die Disziplin auf dem Rad nicht wesentlich von der im Kanal. Die Temperatur ist mit ca. 16°C einige Grad kühler und der Fahrtwind tut ein Übriges um den Wohlfühlfaktor zu drücken. Kurz vor Wallesau ziehe ich deshalb meine Ärmlinge an, die ich mir beim Wechsel in die Rückentasche der Weste gestopft habe. Modisch ist diese Kombination nicht der letzte Schrei, aber wer durch Kotze krault kann auch Armstulpen schulterfrei tragen.
In Wallesau verlier ich meine 2,99€-Sonnenbrille von Onkel Albrecht als ich mit 35 km/h über einen Gulli rausche. Ein Mitstreiter macht mich noch darauf aufmerksam, aber ich brauch sie bei dem Wetter eh nicht. Ertragbarer Verschleiß!
Es geht Richtung Heideck und vom Fond schallt es plötzlich „Papa, ich muss mal Pipi“ „Mensch Junge! Wir sind gerade mal 10 km unterwegs und Du musst schon wieder!!“ So kommt es mir zumindest vor, als sich vehement meine Blase zu Wort meldet. Ok, dann fährt der Papa halt mal raus. Also am nächsten Hügel wird oben gehalten. Anscheinend haben viele Mitstreiter dieses Problem, denn stehende Triathleten säumen hier im Wald den Straßenrand wie Laternen die Allee einer Großstadt. Der Stopp ist aber in allen Belangen erleichternd und ich kann wieder konzentriert weiter treten.
Heideck: Schade, die Sektmeile ist wohl weg gespült worden!?
Selingstädter Berg: Irgendein Schlager läuft hier und trotz des Wetters super Stimmung. Toll! Vielleicht ist ja auch das die Sektmeile!? Ich weiß es nicht. Locker geht es auf jeden Fall den Berg hinauf. An der Verpflegungsstelle hole ich mir eine neue Flasche Wasser und mixe diese in der Aerotrinkflasche mit meinem Spezialgetränk. 12 Powerbargels in einer 1l-Flasche mit Wasser verdünnt (Tip vom Schweinepriester). Dazu gibt’s nen halben Riegel.
Richtung Greding rollt es gut. 35-40 km/h steht meist auf dem Tacho und ich freue mich auf die Zuschauer am Kalvarienberg. Angekommen in Greding, macht es richtig Spaß den Berg in Angriff zu nehmen. Unten steht auch einer der wenigen Bekannten, die ich an diesem Tag als Zuschauer sehe. Volker vom TCEC-Mainz. Einer der drei Weggefährten vom 220km-Tramuntana-Trip auf Malle im April.
Trotzdem es immer noch gnadenlos regnet, habe ich Spaß am Radfahren. Mir ist nicht kalt. Wahrscheinlich kommt es mir sehr entgegen, dass ich nicht mein angepeiltes Gewicht von sub80 sondern 3-4kg mehr auf den Rippen habe.
Mit Greding ist die erste Radphase abgeschlossen und es geht über Obermässing und Eysölden Richtung Hilpoltstein. Kurz vor Eysölden schallt es schon wieder von hinten „Papa, Pipi“ .. „Mann, das nervt!“ Aber was soll’s. Nach der Verpflegung Blinker rechts und stehen geblieben. Auch hier wieder eine Versammlung von genervten Familienvätern. Einige rennen halb in den Wald rein. Warum versteh ich auch nicht, aber wahrscheinlich sind es dieselben, die 3km weiter beim Flicken am Straßenrand stehen.
Auf dem Weg nach Eckersmühlen ist der Solarer Berg in Hilpoltstein ein großes Highlight. Oft war ich schon dort gestanden und da ich auch schon zweimal live bei der Tour de France zugeschaut habe, behaupte ich der Solarer Berg ist besser als Alpe d’ Huez. Der Zuschauer und Fan ist einfach näher am Athleten. Nicht physisch sondern psychisch. Da fahren nicht nur Pros hoch, sondern auch Kollegen, Nachbarn, Bekannte und Freunde. Man kennt ein paar von den Jungs und Mädels. Diese Nähe zwischen Zuschauer und Athleten ist die besondere Lava, die den Solarer Berg jährlich zur Eruption bringt.
Ca. 2 km vorher ist schon ein kleiner Hügel zu erklimmen. Es stehen einige Leute am Straßenrand und auch ein Wagen mit Musik und Sprecher ist dort. Stark! Es ist wie ein gelungenes Vorspiel. Mit 45 km/h rast man danach nach Hip rein. Oft habe ich gehört, dass man den Solarer Berg von weitem hört. Diesmal nicht. Der Regen prasselt zu stark auf Helm und Rad. Außerdem ist das Zischen der Räder über die regennasse Straße zu laut.
Da vorne sind die ersten Absperrgitter. Ich schalte auf das kleine Blatt. „Nur nicht überzocken!“ Ich bieg um die Ecke und sehe die Wand. Eine Wand voll Regenschirme. Unglaublich viele! Der Solarer Berg ist eine Bank - auch bei Dreckswetter. Auf ihn kann man sich verlassen. Zumindest in der ersten Runde. Die Gasse verjüngt sich immer weiter und man fährt auf das Spalier der Zuschauer zu. Zwischen ihnen rinnt eine nicht unerhebliche Menge Wasser den Berg herunter.
Ich fahre stromaufwärts und bin nahe am Delirium. Irgendwie habe ich ein Déjà-vu. Man kämpft sich ein längliches Gewässer entlang und links und rechts am Ufer stehen schreiende Leute mit Schirmen. Diesmal höre ich sie besser und die Schreie, Ratschen, Tröten und klatschenden Hände gehen direkt ins Blut. Bam! Man fliegt einfach nach oben und merkt es nicht. Hebt völlig ab. „Was ich fahre gerade Rad? Ach ja, stimmt.“ Und dann sehe ich Didi. Er hat ein Gutmann Schild in der Hand und brüllt. Lecker! Davon hatte ich gestern auch zwei Leichte, Danke. 30 Meter weiter rechts steht wieder mein Bruder und ich kann gerade noch sehen, dass er ein Oberteil an hat auf dem irgendwas mit „Brother“ steht. Ich freue mich und fliege. Schade, dass es irgendwann aufhört. Die Realität erreiche ich wieder, als ich an der nächsten Verpflegungsstelle einen Riegel und eine Wasserflasche aufnehme. Im darauf folgenden, einsamen Kilometer zwischen zwei Kornfeldern beginnt mein Kopf das vor wenigen Augenblicken Erlebte emotional zu verarbeiten. Es schüttelt mich vor Ergreifung und ich kurble noch etwas benommen weiter, als mich Thomas Hellriegel überrundet. Ich stehe! Aber dass Hell on Wheels, wie er auch genannt wird, keinen Bock hat auf Regenwetter, sehe ich daran, dass er plötzlich völlig unmotiviert Oberlenker fährt ... und dann fährt der Typ immer noch 4:27, krass.
Naja, nützt ja nix, ich muss weiter. Mörlach, Hip, Haimpfarrich. Die zweite Runde beginnt und nach Eckersmühlen geht es wieder Richtung drittes Radziel, Greding die zweite. Das Radfahrerfeld um mich ist ein buntes Nationalitäten Gemisch, was man an den Namen und den Nationalflaggen der Startnummern erkennt. Neben den Deutschen, Schweizern und wenigen Östereichern fahren Benoit, Alain, Yves, Frédéric und Jaques aus Frankreich. Yaron, Maxim, Erez, Eyal und Rafael .. was mich überrascht ist die hohe Anzahl Israelis. Alfredo, José, Miguel, Juan Pablo und Carlos. Die Spanier stellen auch eine große Fraktion. Gemeinsam spült es uns wieder über den Selingstädter Berg und der Regen hat langsam ein Einsehen. Ich stimme einen Gesang an, singe aus halbvoller Kehle und grins mir eins.
…
„Die Sonne scheint bei Tag und Nacht, e-v-i-v-a España …“ :-)
…
Prompt ernte ich komische Blicke einiger naher Fahrensleute. Die Blicke gehen von genervter Entrüstung bis hin zu einem anerkennenden Schmunzeln. Ich hab auf jeden Fall Spaß.
Die Beschreibung meines dritten Boxenstops erspare ich euch hiermit. Dafür will ich den Vierten(!) vor Greding kurz erwähnen: Ich fahre wieder raus. Armin steht schon da und ich stelle mich 2 Meter neben ihn. Wir haben einen „super“ Blick auf die Raststätte Greding und die A9, die wie mit einer langen Käseglocke durch eine 5 Meter hohe Gischtwolke abgedeckt ist. „Das ist das siebte Mal!“ höre ich Armin sagen. Ich bedaure ihn, klage mein ähnliches Schicksal und schlage vor beim Mäc Doof nen Cheeseburger zu holen. Armin ist aber grad nach Pressack und wir können uns nicht einigen. Aufsitzen, weiter geht’s! Das war das vierte Mal von insgesamt fünf Boxenstops. Entschuldigung, dass ich darüber so ausführlich schreibe. Ich bin auch sehr froh, dass ich keine Magenprobs habe, aber außergewöhnlich ist das schon. Würde es einen Pinkelsplit geben, ich wäre mit 5 Minuten ganz gut dabei.
Der Kalvarienberg steht nun das zweite Mal an. Die Steigung wurde gefühlsmäßig ein wenig nach oben geschraubt. Vielleicht liegt es auch daran, dass ein paar Zuschauer weniger da sind oder gar daran, dass ich ein bisschen müde werde? Der Regen ist endlich komplett versiegt und die Straßen trocknen ab. Bei der Abfahrt Richtung Obermässing versteuer ich mich trotzdem in der einen Serpentine total. Wie peinlich! Ich lach über mich selber und es blitzt. Ein Fotograf hat ein Bild geschossen.
Langsam wird es wirklich zäh. Das Feld hat sich auseinander gezogen und nach 140km sind die Beine doch schon angeschlagen. Eysölden, Tiefenbach und Unterrödel. Der Solarer Berg kommt wieder, aber leider ist die Wand weg. Vereinzelt stehen noch Zuschauer am Rand und feuern an. Ich bin froh über jede klatschende Hand.
Booah, die Schleife Richtung Osten zieht sich und mir kommen die erste Gedanken, ob es wirklich schlau ist, gleich noch einen Marathon zu laufen. Bei allen absolvierten Triathlons habe ich die nächste Disziplin immer herbeigesehnt. Heute ist das irgendwie nicht so. Der Saft geht langsam aus und ich schleppe mich Richtung Hilpoltstein und Eckersmühlen. Den Abzweig nach Wallesau lasse ich diesmal links liegen und nehme Kurs auf Roth. „Quäl dich Du Wallesau“ fällt mir nur ein, als ich an dem Wegweiser vorbei fahre. Ich schmunzele und eh ich mich versehe, bin ich an der Wechselzone in Roth angekommen. Etwas unerwartet, da mein Tacho erst 175 Kilometer anzeigt. D.h. ich bin fünf Minuten vor meinem Plan. Das hebt die Stimmung wieder.
Ich gebe mein Rad ab und renne in die Umkleide. Der nächste Modeknaller steht an.
Stulpen aus, Kniestrümpfe an!
Dann wollen wir mal den 42 km langen Laufsteg erkunden. Dagegen ist Germanys Next Topmodel ein Kinderspiel. Schuhe an, Käppi auf und losgerannt. Holaradio, ich freu mich doch.
…
Heidi ich komme!
...
... FORTSETZUNG
Buchstabendosis erhoehen ...*grrrr* - „wertvolle“ 10 Sekunden verschenkt!!!
Egal! Jetzt beginnt sie also. Die Disziplin, wegen deren Training ich jetzt hier in der Pisse rum fahre und nicht letztes Jahr bei besten Bedingungen gestartet bin. Radfahrtraining: Ein Schlüsselbein habe ich dabei verschlissen. Ok, sagen wir Teile davon. Ist ja Gott sei Dank wieder einigermaßen gut verheilt.
Vielleicht hat es ja auch was gebracht, zweimal zu trainieren.
Auch diese Disziplin habe ich mir in vier Stücke eingeteilt.
Greding, Eckersmühlen, Greding die zweite und ab dafür nach Roth.
„Dann lass uns erstmal nach Greding reiten, mein Schimmel.“
Auf der Kanalbrücke steht wieder mein Bruder, den ich mit einem schnellen Wechsel wohl etwas überrascht habe. Trotzdem bin ich mehr als begeistert von dem Enthusiasmus, den er mir beim Anfeuern entgegen bringt. Schade, dass aufgrund des Wetters ein besonders euphorischer Fan nicht dabei ist. Jonas, mein Neffe und Patenkind. In Gedanken an ihn fahre ich die ersten Kilometer Richtung Eckersmühlen.
Vom Umgebungsmedium her, unterscheidet sich die Disziplin auf dem Rad nicht wesentlich von der im Kanal. Die Temperatur ist mit ca. 16°C einige Grad kühler und der Fahrtwind tut ein Übriges um den Wohlfühlfaktor zu drücken. Kurz vor Wallesau ziehe ich deshalb meine Ärmlinge an, die ich mir beim Wechsel in die Rückentasche der Weste gestopft habe. Modisch ist diese Kombination nicht der letzte Schrei, aber wer durch Kotze krault kann auch Armstulpen schulterfrei tragen.
In Wallesau verlier ich meine 2,99€-Sonnenbrille von Onkel Albrecht als ich mit 35 km/h über einen Gulli rausche. Ein Mitstreiter macht mich noch darauf aufmerksam, aber ich brauch sie bei dem Wetter eh nicht. Ertragbarer Verschleiß!
Es geht Richtung Heideck und vom Fond schallt es plötzlich „Papa, ich muss mal Pipi“ „Mensch Junge! Wir sind gerade mal 10 km unterwegs und Du musst schon wieder!!“ So kommt es mir zumindest vor, als sich vehement meine Blase zu Wort meldet. Ok, dann fährt der Papa halt mal raus. Also am nächsten Hügel wird oben gehalten. Anscheinend haben viele Mitstreiter dieses Problem, denn stehende Triathleten säumen hier im Wald den Straßenrand wie Laternen die Allee einer Großstadt. Der Stopp ist aber in allen Belangen erleichternd und ich kann wieder konzentriert weiter treten.
Heideck: Schade, die Sektmeile ist wohl weg gespült worden!?
Selingstädter Berg: Irgendein Schlager läuft hier und trotz des Wetters super Stimmung. Toll! Vielleicht ist ja auch das die Sektmeile!? Ich weiß es nicht. Locker geht es auf jeden Fall den Berg hinauf. An der Verpflegungsstelle hole ich mir eine neue Flasche Wasser und mixe diese in der Aerotrinkflasche mit meinem Spezialgetränk. 12 Powerbargels in einer 1l-Flasche mit Wasser verdünnt (Tip vom Schweinepriester). Dazu gibt’s nen halben Riegel.
Richtung Greding rollt es gut. 35-40 km/h steht meist auf dem Tacho und ich freue mich auf die Zuschauer am Kalvarienberg. Angekommen in Greding, macht es richtig Spaß den Berg in Angriff zu nehmen. Unten steht auch einer der wenigen Bekannten, die ich an diesem Tag als Zuschauer sehe. Volker vom TCEC-Mainz. Einer der drei Weggefährten vom 220km-Tramuntana-Trip auf Malle im April.
Trotzdem es immer noch gnadenlos regnet, habe ich Spaß am Radfahren. Mir ist nicht kalt. Wahrscheinlich kommt es mir sehr entgegen, dass ich nicht mein angepeiltes Gewicht von sub80 sondern 3-4kg mehr auf den Rippen habe.
Mit Greding ist die erste Radphase abgeschlossen und es geht über Obermässing und Eysölden Richtung Hilpoltstein. Kurz vor Eysölden schallt es schon wieder von hinten „Papa, Pipi“ .. „Mann, das nervt!“ Aber was soll’s. Nach der Verpflegung Blinker rechts und stehen geblieben. Auch hier wieder eine Versammlung von genervten Familienvätern. Einige rennen halb in den Wald rein. Warum versteh ich auch nicht, aber wahrscheinlich sind es dieselben, die 3km weiter beim Flicken am Straßenrand stehen.
Auf dem Weg nach Eckersmühlen ist der Solarer Berg in Hilpoltstein ein großes Highlight. Oft war ich schon dort gestanden und da ich auch schon zweimal live bei der Tour de France zugeschaut habe, behaupte ich der Solarer Berg ist besser als Alpe d’ Huez. Der Zuschauer und Fan ist einfach näher am Athleten. Nicht physisch sondern psychisch. Da fahren nicht nur Pros hoch, sondern auch Kollegen, Nachbarn, Bekannte und Freunde. Man kennt ein paar von den Jungs und Mädels. Diese Nähe zwischen Zuschauer und Athleten ist die besondere Lava, die den Solarer Berg jährlich zur Eruption bringt.
Ca. 2 km vorher ist schon ein kleiner Hügel zu erklimmen. Es stehen einige Leute am Straßenrand und auch ein Wagen mit Musik und Sprecher ist dort. Stark! Es ist wie ein gelungenes Vorspiel. Mit 45 km/h rast man danach nach Hip rein. Oft habe ich gehört, dass man den Solarer Berg von weitem hört. Diesmal nicht. Der Regen prasselt zu stark auf Helm und Rad. Außerdem ist das Zischen der Räder über die regennasse Straße zu laut.
Da vorne sind die ersten Absperrgitter. Ich schalte auf das kleine Blatt. „Nur nicht überzocken!“ Ich bieg um die Ecke und sehe die Wand. Eine Wand voll Regenschirme. Unglaublich viele! Der Solarer Berg ist eine Bank - auch bei Dreckswetter. Auf ihn kann man sich verlassen. Zumindest in der ersten Runde. Die Gasse verjüngt sich immer weiter und man fährt auf das Spalier der Zuschauer zu. Zwischen ihnen rinnt eine nicht unerhebliche Menge Wasser den Berg herunter.
Der Rio Solar!
Ich fahre stromaufwärts und bin nahe am Delirium. Irgendwie habe ich ein Déjà-vu. Man kämpft sich ein längliches Gewässer entlang und links und rechts am Ufer stehen schreiende Leute mit Schirmen. Diesmal höre ich sie besser und die Schreie, Ratschen, Tröten und klatschenden Hände gehen direkt ins Blut. Bam! Man fliegt einfach nach oben und merkt es nicht. Hebt völlig ab. „Was ich fahre gerade Rad? Ach ja, stimmt.“ Und dann sehe ich Didi. Er hat ein Gutmann Schild in der Hand und brüllt. Lecker! Davon hatte ich gestern auch zwei Leichte, Danke. 30 Meter weiter rechts steht wieder mein Bruder und ich kann gerade noch sehen, dass er ein Oberteil an hat auf dem irgendwas mit „Brother“ steht. Ich freue mich und fliege. Schade, dass es irgendwann aufhört. Die Realität erreiche ich wieder, als ich an der nächsten Verpflegungsstelle einen Riegel und eine Wasserflasche aufnehme. Im darauf folgenden, einsamen Kilometer zwischen zwei Kornfeldern beginnt mein Kopf das vor wenigen Augenblicken Erlebte emotional zu verarbeiten. Es schüttelt mich vor Ergreifung und ich kurble noch etwas benommen weiter, als mich Thomas Hellriegel überrundet. Ich stehe! Aber dass Hell on Wheels, wie er auch genannt wird, keinen Bock hat auf Regenwetter, sehe ich daran, dass er plötzlich völlig unmotiviert Oberlenker fährt ... und dann fährt der Typ immer noch 4:27, krass.
Naja, nützt ja nix, ich muss weiter. Mörlach, Hip, Haimpfarrich. Die zweite Runde beginnt und nach Eckersmühlen geht es wieder Richtung drittes Radziel, Greding die zweite. Das Radfahrerfeld um mich ist ein buntes Nationalitäten Gemisch, was man an den Namen und den Nationalflaggen der Startnummern erkennt. Neben den Deutschen, Schweizern und wenigen Östereichern fahren Benoit, Alain, Yves, Frédéric und Jaques aus Frankreich. Yaron, Maxim, Erez, Eyal und Rafael .. was mich überrascht ist die hohe Anzahl Israelis. Alfredo, José, Miguel, Juan Pablo und Carlos. Die Spanier stellen auch eine große Fraktion. Gemeinsam spült es uns wieder über den Selingstädter Berg und der Regen hat langsam ein Einsehen. Ich stimme einen Gesang an, singe aus halbvoller Kehle und grins mir eins.
…
„Die Sonne scheint bei Tag und Nacht, e-v-i-v-a España …“ :-)
…
Prompt ernte ich komische Blicke einiger naher Fahrensleute. Die Blicke gehen von genervter Entrüstung bis hin zu einem anerkennenden Schmunzeln. Ich hab auf jeden Fall Spaß.
Die Beschreibung meines dritten Boxenstops erspare ich euch hiermit. Dafür will ich den Vierten(!) vor Greding kurz erwähnen: Ich fahre wieder raus. Armin steht schon da und ich stelle mich 2 Meter neben ihn. Wir haben einen „super“ Blick auf die Raststätte Greding und die A9, die wie mit einer langen Käseglocke durch eine 5 Meter hohe Gischtwolke abgedeckt ist. „Das ist das siebte Mal!“ höre ich Armin sagen. Ich bedaure ihn, klage mein ähnliches Schicksal und schlage vor beim Mäc Doof nen Cheeseburger zu holen. Armin ist aber grad nach Pressack und wir können uns nicht einigen. Aufsitzen, weiter geht’s! Das war das vierte Mal von insgesamt fünf Boxenstops. Entschuldigung, dass ich darüber so ausführlich schreibe. Ich bin auch sehr froh, dass ich keine Magenprobs habe, aber außergewöhnlich ist das schon. Würde es einen Pinkelsplit geben, ich wäre mit 5 Minuten ganz gut dabei.
Der Kalvarienberg steht nun das zweite Mal an. Die Steigung wurde gefühlsmäßig ein wenig nach oben geschraubt. Vielleicht liegt es auch daran, dass ein paar Zuschauer weniger da sind oder gar daran, dass ich ein bisschen müde werde? Der Regen ist endlich komplett versiegt und die Straßen trocknen ab. Bei der Abfahrt Richtung Obermässing versteuer ich mich trotzdem in der einen Serpentine total. Wie peinlich! Ich lach über mich selber und es blitzt. Ein Fotograf hat ein Bild geschossen.
Langsam wird es wirklich zäh. Das Feld hat sich auseinander gezogen und nach 140km sind die Beine doch schon angeschlagen. Eysölden, Tiefenbach und Unterrödel. Der Solarer Berg kommt wieder, aber leider ist die Wand weg. Vereinzelt stehen noch Zuschauer am Rand und feuern an. Ich bin froh über jede klatschende Hand.
Booah, die Schleife Richtung Osten zieht sich und mir kommen die erste Gedanken, ob es wirklich schlau ist, gleich noch einen Marathon zu laufen. Bei allen absolvierten Triathlons habe ich die nächste Disziplin immer herbeigesehnt. Heute ist das irgendwie nicht so. Der Saft geht langsam aus und ich schleppe mich Richtung Hilpoltstein und Eckersmühlen. Den Abzweig nach Wallesau lasse ich diesmal links liegen und nehme Kurs auf Roth. „Quäl dich Du Wallesau“ fällt mir nur ein, als ich an dem Wegweiser vorbei fahre. Ich schmunzele und eh ich mich versehe, bin ich an der Wechselzone in Roth angekommen. Etwas unerwartet, da mein Tacho erst 175 Kilometer anzeigt. D.h. ich bin fünf Minuten vor meinem Plan. Das hebt die Stimmung wieder.
Ich gebe mein Rad ab und renne in die Umkleide. Der nächste Modeknaller steht an.
Stulpen aus, Kniestrümpfe an!
Dann wollen wir mal den 42 km langen Laufsteg erkunden. Dagegen ist Germanys Next Topmodel ein Kinderspiel. Schuhe an, Käppi auf und losgerannt. Holaradio, ich freu mich doch.
…
Heidi ich komme!
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