Montag, 7. August 2006

Ich kauf mir ein Baguette ... Folge 2

Dies ist die Fortsetzung des Berichts von unserem Frankreichurlaub.

Am Mittwoch bestimmte wieder die Tour de France unser Tagesgeschehen. Es steht die 16. Etappe an. Start ist in Bourg d'Oisans (BdO), 8 km von unserem Campingplatz entfernt. Sie führt über den Col du Galibier, über den Col du Glandon, auf den Col de la Croix de Fer, Col du Mollard zur Bergankunft nach la Toussouire. Am Ende des Tages sind sich alle Experten einig, daß es die Etappe ist, an der Floyd Landis aufgrund eines 10 Minuten Rückstands die TdF 06 verliert.
Heute sind wir schlauer. Er hat sie auf der Etappe danach verloren.

Um 9.00 Uhr machen wir uns mit dem Velo auf den Weg nach BdO um das Einschreiben der Fahrer zu beobachten. Die Strecke im Ort ist schon abgesperrt und am Strassenrand ist es durch die Absperungen sehr eng. Gut das wir anderes Schuhwerk dabei haben. Wir schließen die Räder am Ortsrand an und laufen zum Fahrerdorf, wo auch die Bühne zum Einschreiben aufgebaut ist. Unglaublich ist der französische Sprecher, den man auch immer im Hintergrund der Übertragungen brabbeln hört. Er redet ohne Unterbrechung die Stunde in der wir auf dem Platz stehen. Wir sehen Eric Zabel, Robbie McEwen, Cadel Evens und viele andere. 5 Meter neben uns steht plötzlich Richard Virenque an einem Promotionstand.


Ich mache noch ein Foto und wir begeben uns Richtung Räder. Auf dem Weg dorthin kriegen wir etwas mit wie die zich offiziellen roten und blauen Autos, sowie die Mottoradkameras und -fotografen starten. Auch der Schwarze Nummernboy, der immer die Tafeln mit den Abständen hochhält fährt vor uns los. Es kennt jeder jeden. Ein großes Hallo zwischen allen Beteiligten. Kurz darauf fährt das Feld neutralisiert an uns vorbei. Etwas später Jens Voigte. Der hat wohl etwas getrödelt.


Wir schwingen uns auf unsere Velos und starten unser Rennen. Während die Profis "außenrum" fast zwei HC Berge fahren, wollen wir einen 1er fahren. Den Col du Glandon. Dort kommen sie vorbei auf dem Weg zum Col de la Croix de Fer.

Kurz vor dem Glandon sehen wir die Werbekarawane von weitem vorbeirauschen.

Noch ein Foto am See.

Wir sind rechtzeitig da und haben sogar noch Zeit uns bei einem Wohnmobil über den aktuellen Stand zu informieren und ein schönes Plätzchen an einem Hang rauszusuchen. Rasmussen kommmt zuerst. Dann irgendwann Leipheimer und das Favoritenfeld. Das Peloton und die Grupettos feuern wir im Spalier an. Wahnsinns Stimmung auf 1924m.



Es kommen noch ein paar Nachzügler. Im Anschluß beschließen wir auf den Col de la Croix de Fer zu fahren, um noch ein Bild mit dem HC-Schild zu machen. Nach der Etappe ist absolutes Chaos. Fußgänger, Autos, Radler. Nach 45 min haben wir die 100Hm zum Pass absolviert, aber unglaublich ... Absperrungen, Werbung und Schilder der Bergwertung sind schon abgebaut. Hallo, hier ist vor 45 Min die TdF vorbeigefahren!??
Wir schauen, daß wir zwischen den hunderten von Leuten ein Col-Foto machen können.


Naja, haben wir schon bessere gesehen ;-)

Wir fahren nach Hause bzw. versuchen es. Verkehrschaos auf 2000 Meter Höhe. Die französichen Polizisten Pfeifen sich die Lunge aus dem Hals um zu bemerken, das sie keine Chance haben. Mit dem Rad geht es einigermaßen. Vom Glandon runter hat mein Bruder eine bessere Lücke erwischt. Ich gebe Gas um aufzuschliesen. Vor mir baut sich ein Polizist auf, der gerade zwei verknäulte, wegversperrende Wohnimmobilien wieder mobil machen will.

Wir kommen zu dritt. Er macht auf Ampelmännchen und streckt beider Arme zur Seite. Dabei pfeift er um sein Leben. Ich bremse. Alles blockiert, aber der Polizist kommt scheinbar ungebremst auf mich zu. Keine Chance. Bremsen auf. Kopf auf den Lenker und mit 30 km/h unter dem rechten Arm vorbeihuschen. Puhh, das ging gerade so gut. Die weitere Abfahrt macht riesen Spaß. Der Tacho zeigt am Ende 80,5 km und 1880 Höhenmeter, da der Weg auf den Glandon mit ein paar kleine, aber teilweise giftigen Gegenanstiegen gespickt ist.
Abends schlemmen wir bei Pasta mit Meeresfrüchten und natürlich einigen Weißbier.

Donnerstag:

Für heute haben wir uns einen Radruhetag auferlegt. Dennoch kribbelt es mir in den Beinen und ich beschliese eine weiter Traumverwirklichung anzugreifen.
Nach einem knappen Frühstück aus zwei Marmeladen Croissants schwing ich mich um kurz nach neun mit Laufschuhen und ein paar squeezy aufs Radel und fahre nach Bourg d'Oisans. Hier ist die Offizielle Zeitmesslinie für den AdH-Aufstieg mein Ziel und zu meiner Verwunderung liegen dort auch Zeitmessmatten. Daneben steht eine Gruppe mit CSC Trikots. Wieder eine Firmenveranstaltung. Ich schließe mein Fahrrad an den Pfosten, der normalerweise das Bergwertungstransparent hält, erleichtere mich noch kurz, starte meinen Mp3-Player (Billy Talent), drücke Start auf meiner Uhr, kassiere ungläubige CSC-Blicke und laufe los. Ich will den Mythos mit dem Turnschuh erobern.

Länge: 13,8 km
Höhenunterschied: 1060 m
Mittlere Steigung: 7,9%
Maximale Steigung: 14%

Die ersten 500m sind noch flach. Dann geht es los. Ich laufe auf der rechten Seite, da hier die langsamen Bergaufautos fahren. In den unteren Kehren läuft sich's überhaupt nicht schön, da viel Abgase und Bremsstaub in der Luft liegt. Mit zunehmender Höhe wird die Luft frischer und es läuft sich gut. Kurze Schritte.


Es sind nur noch ein paar Velos unterwegs. Witzig ist, das manche auch nicht viel schneller sind. Ein älterer Herr hat ungefähr meine Geschwindigkeit. Da kann man sich auch festbeißen. Manchmal sackt er durch und ich gehe vorbei, aber in den etwas flachern Kehren fährt er wieder einen Vorsprung raus. Irgendwie ist es auch ein ganz anderes Gefühl hoch zu laufen, als zu fahren. In Kehre 7, der Kehre der Holländer, gibt's eine Quelle. Hier fülle ich kurz meine Wasserflasche auf. Es geht weiter und läuft sich prima.


Es macht richtig Spaß. Ein paar CSC-Fahrer überholen mich. Das "Rennen" wurde scheinbar gestartet. Als ich nach AdH reinlaufe, sehe ich das sie Ihre Ziellinie gar nicht auf dem offiziellen Zielstrich haben sondern ca. 1,5 km davor. "Freunde der Sonne, so nicht Ihr Flachmaaten! Zu Hause erzählen ich hab's in ... geschafft ;-))"
Mir egal. Mit denen will ich es mir nicht verderben, da ich darauf spekuliere mit eine Teamwagen, die auch zwischenzeitlich Verpflegungsstellen eingerichtet hatten, wieder runterzufahren. Den Opa habe ich übrigens in Kehre 3 endgültig abgehängt. Ich lauf die restlichen Kilometer auf der offiziellen Strecke. Am Zielstrich zeigt meine Uhr Brutto (mit Wasser holen) 1:41:45 an. Geil!
Der Opa kommt auch kurz darauf an. Ich halte meine Hand zum abklatschen hin. Er grinst und haut drauf. Danach begebe mich wieder ins Zentrum AdHs. Im Supermarkt kaufe ich mir ein Baguette, Putenbrustaufschnitt, Wasser und 1l kalte Milch. Mit meiner Brotzeit geselle ich mich zu den CSClern, die die Bänke um den Trinkwasser-Brunner in Beschlag genommen haben. Der Liter Milch verschwindet schnell und auch das Baguette verpufft in den weiten meines leeren Magens.
Den Weg runter will ich nicht per Pedes machen, da das zu arg auf die Gelenke geht, aber leider bleiben meine Bemühungen mit einem CSC-Taxi zu fahren erfolglos.
Ich trampe also und ein junger Franzose nimmt mich in einer Karre mit, die sowas von verrostet ist, das mir schon ein bißchen mulmig ist. Der Gurt geht nicht, ich soll ihn aber hinhalten wegen den "Cops" ;-) Gesagt getan. Ich schau ob ich das Ding vielleicht irgendwo festknoten kann. Der Typ ist aber echt nett. Spricht relativ gut englisch und fährt sehr human die Kehren runter. Wir unterhalten uns über die WM und meinen Berglauf. ER fragt mich sogar ob er rauchen darf. Ich willige natürlich ein. Der Bremsstaub von Vorhin waren zehn Packungen wahrscheinlich. Er fährt nur bis Huez d'Oisans auf halber Höhe. Hier trampe ich weiter und komme mit einem französischen AdH-Urlauber mit, der für seine Kinder im Font Fahrräder im Tal kaufen will. Auch sehr nett und englischsprechend. Unten angekommen, schwing ich mich aufs Radel und fahr zurück zum Campingplatz. 13,8km und 1060 Höhenmeter notiere ich unter Laufen in mein Trainingsbuch. Nochmal würde ich es aber nicht machen, da einfach zu viel Verkehr war. Um einen Berglauf zu machen gibt es sicher schönere Strecken. Aber was tut man nicht alles für den Mythos. Den Rest des Tages lassen wir uns vor dem Fernseher durch Floyd Landis' Hussarenritt blenden.
Das Abendessen war wieder Spitze, aber ich weiß nicht mehr genau wases gab. Reis mit Putencurry glaub ich. Auf jeden Fall sehr lecker von meinem Bruder zubereitet. Ich trinke noch ein Bier und gehe um 23.30 in die Koje, um vom nächsten Tag zu träumen, da ich mir hier wieder etwas Besonderes vorgenommen habe....

Apropos Koje. Folge 3 folgt.

Gute Nacht.
b-l-a-u

1 Kommentar:

GRAS.GRUEN hat gesagt…

Wow !! Geiler Lauf .... wie war es so - NUR Bergauf ?? Gewöhnt sich da der Muskel halbwegs dran nach ein paar Kilometern ?? - s0 2 km auf 10% Steigung bin ich schon gelaufen - ging eigentlich gut - wie gesaltest du dann das Tempo dabei ? Versuchst Du da die Anstrengung wie auf dem "flachen" zu halten ??? ... If you read my blog... weißt warum ich frage ;-)))