Ich kauf das letzte Baguette ... Folge 3
Fortsetzung der Frankreichberichte eins und zwei.
Freitag 21.7.2006:
Die Tour ist weiter gezogen. Heute steht eine nicht so spannende Etappe an. Grund genug für uns selbst mal wieder die Grenzen auszuloten. Mein Bruder und ich beschließen auf den Col du Galibier zu fahren. Mit 2645m Höhe das Dach der diesjährigen Tour und der fünfthöchste Pass der Alpen, der mit dem Rennrad befahrbar ist. Hin und zurück sind es knapp 120 km und gut über 2000 Höhenmeter. Eigentlich würde ich gerne noch ein "paar" Kilometer dranhängen....
Jedes Jahr im Juli gibt es einen Radmarathon genau in diesem Gebiet namens La Marmotte. Er führt über den Col de la Croix de Fer, den Col du Telegraphe und den Col du Galibier hinauf nach Alpe d'Huez. 174 km und 5000 Höhenmeter. Ein Radmarathon, der in einer Reihe steht mit dem Ötztaler Radmarathon und dem Maratona delle Dolomiti. Die Früchte hängen damit sehr hoch, mein Traum ist es einen Teil dieser Strecke zu fahren. Wir fahren die Strecke in entgegen gesetzter Richtung. Um den Traum einigermaßen realistisch zu gestalten will ich mir den Schlußanstieg nach Alpe d'Huez und somit ca. 20 km und gute 1000 Höhenmeter sparen. Ich werde entscheiden, wenn wir auf dem Galibier sind. Immerhin haben meine Beine den Lauf von gestern noch zu verkraften. Wir machen uns um 09.00 auf den Weg und fahren dieselbe Strecke, die die Profis zwei Tage zuvor gefahren sind. Ca. 5km nach Bourg d'Oisans fängt die Steigung an. Hat man seinen Tritt gefunden geht es kurz wieder bergab. Danach geht es aber unaufhaltsam 35km bergauf. Vorbei an der Auffahrt nach Les Deux Alpes. Auf 2058m passiert man den Col du Lautaret.
Mein Bruder, der mit sage und schreibe 200 Trainingskilometer am Urlaubsstart war, zeigt das er ein Rundfahrertyp ist, denn jeden Tag beißt er sich heftiger an meinem Hinterrad fest. Heute ist es soweit. 3km Nach dem Col du Lautaret lass ich abreisen, teils aus Vernunft, aber auch weil ich nicht den Druck auf die Pedale bekomme. Hier zeigt sich mal wieder, daß Ausdauersport über Jahre hinweg trainiert werden muß, aber auch nicht nur kurzlebig in den Mukkis bleibt. Sie müßen nur entsprechend aufgeweckt werden.
Vorbei am Gipfeltunnel und am Denkmal des Tour de France Gründers komme ich ca. 5 Minuten nach meinem Bruder am Pass an. Wir habe wieder sehr viel Glück mit dem Wetter.
Die Sicht ist gut und der Ausblick ist wie die Auffahrt, atemraubend. Ich verspeise meine Silberlinge und habe mich eigentlich schon entschlossen, das ich das Abenteuer wagen werde. Nach 15 Minuten "Gipfel"-Glück verabschieden wir uns. Mein Bruder fährt nach Süden ab, von wo wir gekommen sind. Ich stürze mich nach Norden in die Serpentinen Richtung Valloire. Nach dieser Senke geht es noch einmal kurz hinauf auf den Col du Telegraphe (1566m).
Danach führt eine Serpentinen-reiche Abfahrt in den Ort St. Michel-de-Maurienne. Jetzt bin ich im Arc-Tal. Eine monströse Bergkette trennt mich von meinem "Heimattal". Es gibt kein zurück. Die 1600 Hm auf den Col de la Croix de Fer muß ich jetzt noch auf mich nehmen. Zunächst versuche ich aber das Tal nach St. Jean-de-Maurienne runterzurollen. Dies gelingt mir aber nur bedingt, da es unheimlich windig ist und ich sehr viel treten muß. In dem Ort verpflege ich mich erst einmal. Wasser und ein Schokoriegel. Dann geht's weiter. Die Auschilderung ist bescheiden, da Schilder abgeklebt sind und irgendwelche Umleitungszeichnen drauf sind. Englisch spricht hier leider auch keiner mehr. Ich fahre los, kann ja nur bergauf gehen. nach 100 Hm frage ich lieber noch mal nach und erfahre das ich gerade nach la Toussouire fahre, dem Etappen ziel von vor zwei Tagen. Scheiß! Zurück und noch mal genau geschaut. Ahhh da: -> "Col de la Croix de Fer" hier bin ich richtig. Irgendwie kommt mir das nach 10 km auch spanisch vor und ich merke beim vergleichen der Strassennummern, daß ich mich auf dem Weg zum Col du Mollard befinde. Irgendwas hatten unsere Campingnachbarn von einer Umleitung gesagt, aber das man noch einen Berg fahren muß, wußte ich nicht. Kacke! Es bleibt mir nichts anderes übrig. Das schlimmste ist, das ich nicht weiß was mich beim Col du Mollard erwartet. Aus der Karte ist die Höhe der Abfahrt zurück auf die Passstraße zum CdF nicht ersichtlich. Bei der Touretappe sind sie ihn auch gefahren. Da war es ein 2er, d.h. schätzungsweise nochmal 500 Hm drauf. Ach du Kacke. Moralisch bin ich am Ende 120 km und 2500hm habe ich schon in den Beinen und jetzt das. Ich trete in dem tristen Wald auf einer schlechten, engen Strasse, wo mir hauptsächlich LKWs entgegenkommen und seniere über Taxis, Übernachtungsgelegenheiten in St. Jean-de-Maurienne, mögliche Busfahrpläne, Abholung durch die Campingnachbarn und barfuß zu Schieben. Die Zeit habe ich noch nicht ausgereizt, aber es wird knapper. Ich rechne mit einer Gipfelankunft auf dem CdF um 19.00. Und schon bin ich bei meiner Lieblingsbeschäftigung, wenn ich mich vom Schmerz und moralischen Tief ablenken will. Rechnen! Ich Stoppe die Zeiten, die ich für je 100Hm brauche. Ich beschäftige mich selbst. Ziel ist nur noch der Col du Mollard. Was danach kommt interessiert erstmal nicht. Und schwups bin ich in einem wunderschönen Ort namens Albiez-le-Vieux. Dort gibt es, wie in allen Orten, eine Brunnen mit "Eau Potable".
Hier erfrische ich mich und kommuniziere mit einem französischen Rennradfahrer. Ich will wissen, auf welcher Höhe man nach der Abfahrt wieder auf die Passstrasse kommt. Wir versuchen uns zu verständigen, in dem wir Zahlen mit dem nassen Finger auf den Brunnenrand malen, aber wir kommen zu keinem Ergebnis, das mich befriedigt. Trotzdem eine nette Begegnung. Der Col du Mollard (1638m) liegt praktisch im Ort.
Nach einem Colfoto mit Selbstauslöser und 10 Minuten Abfahrt bin ich im Bilde. Auf der Kreuzung, die an einer Felswand hängt, zeigt mein Tacho 1243 Hm, also 400 Hm mehr.
Der letzte Aufstieg beginnt. 800 Hm bis zum Col de la Croix de Fer. Auch diese schaffe ich nach dem ich mich noc hmal in St. Sorlin d'Arves mit Cola, Kitkat und Wasser versorgt habe.
Vor 19 Uhr erklimme ich den Col de la Croix de Fer (2067m) und lasse mich von zwei älteren Damen, die mir respektvoll Beifall spenden, fotografieren. Ich schreibe eine SMS an meinen Bruder und will mich aber jetzt auch nicht mehr lange aufhalten. Ich ziehe meine Windjacke an und begebe mich auf die Abfahrt, auf welcher ich zwei Tage zuvor fast den Polizisten umgemäht hätte. Gott sei Dank kenne ich die zwei Gegenanstiege der Abfahrt und habe mich schon seelisch darauf eingestellt. So kann ich auch diese noch mit der Euphorie des "bald-geschafft-haben", erklimmen. Auf der Abfahrt riskiere ich nichts mehr. Lieber ein paarmal zuviel gebremst, als wegen Unkonzentriertheit und Kraftmangel noch Tapete an Felswand oder Strasse zu lassen. Um kurz vor 20 Uhr laufe ich überglücklich wieder auf unserem Campingplatz ein.
178,1 km und 4290 Höhenmeter. Das war meine persönlich Königsetappe.
Die Elektolyte müßen natürlich schnell wieder aufgefüllt werden. Zum Essen gibt es lecker Pfannkuchen vom Mittag, die ich gleich in mich reinstopfe und als Abschlussessen einen ALDI-Linseneintopf. Hört sich zwar scheiße an war aber saugut.
Das war Frankreich. Wieder ein tolles Erlebnis. Und es stand gott sei dank nicht nur die Tour im Mittelpunkt.
So! Saugute Nacht.
b-l-a-u
Buchstabendosis erhoehen ...Freitag 21.7.2006:
Die Tour ist weiter gezogen. Heute steht eine nicht so spannende Etappe an. Grund genug für uns selbst mal wieder die Grenzen auszuloten. Mein Bruder und ich beschließen auf den Col du Galibier zu fahren. Mit 2645m Höhe das Dach der diesjährigen Tour und der fünfthöchste Pass der Alpen, der mit dem Rennrad befahrbar ist. Hin und zurück sind es knapp 120 km und gut über 2000 Höhenmeter. Eigentlich würde ich gerne noch ein "paar" Kilometer dranhängen....
Jedes Jahr im Juli gibt es einen Radmarathon genau in diesem Gebiet namens La Marmotte. Er führt über den Col de la Croix de Fer, den Col du Telegraphe und den Col du Galibier hinauf nach Alpe d'Huez. 174 km und 5000 Höhenmeter. Ein Radmarathon, der in einer Reihe steht mit dem Ötztaler Radmarathon und dem Maratona delle Dolomiti. Die Früchte hängen damit sehr hoch, mein Traum ist es einen Teil dieser Strecke zu fahren. Wir fahren die Strecke in entgegen gesetzter Richtung. Um den Traum einigermaßen realistisch zu gestalten will ich mir den Schlußanstieg nach Alpe d'Huez und somit ca. 20 km und gute 1000 Höhenmeter sparen. Ich werde entscheiden, wenn wir auf dem Galibier sind. Immerhin haben meine Beine den Lauf von gestern noch zu verkraften. Wir machen uns um 09.00 auf den Weg und fahren dieselbe Strecke, die die Profis zwei Tage zuvor gefahren sind. Ca. 5km nach Bourg d'Oisans fängt die Steigung an. Hat man seinen Tritt gefunden geht es kurz wieder bergab. Danach geht es aber unaufhaltsam 35km bergauf. Vorbei an der Auffahrt nach Les Deux Alpes. Auf 2058m passiert man den Col du Lautaret.
Mein Bruder, der mit sage und schreibe 200 Trainingskilometer am Urlaubsstart war, zeigt das er ein Rundfahrertyp ist, denn jeden Tag beißt er sich heftiger an meinem Hinterrad fest. Heute ist es soweit. 3km Nach dem Col du Lautaret lass ich abreisen, teils aus Vernunft, aber auch weil ich nicht den Druck auf die Pedale bekomme. Hier zeigt sich mal wieder, daß Ausdauersport über Jahre hinweg trainiert werden muß, aber auch nicht nur kurzlebig in den Mukkis bleibt. Sie müßen nur entsprechend aufgeweckt werden.
Vorbei am Gipfeltunnel und am Denkmal des Tour de France Gründers komme ich ca. 5 Minuten nach meinem Bruder am Pass an. Wir habe wieder sehr viel Glück mit dem Wetter.
Die Sicht ist gut und der Ausblick ist wie die Auffahrt, atemraubend. Ich verspeise meine Silberlinge und habe mich eigentlich schon entschlossen, das ich das Abenteuer wagen werde. Nach 15 Minuten "Gipfel"-Glück verabschieden wir uns. Mein Bruder fährt nach Süden ab, von wo wir gekommen sind. Ich stürze mich nach Norden in die Serpentinen Richtung Valloire. Nach dieser Senke geht es noch einmal kurz hinauf auf den Col du Telegraphe (1566m).
Danach führt eine Serpentinen-reiche Abfahrt in den Ort St. Michel-de-Maurienne. Jetzt bin ich im Arc-Tal. Eine monströse Bergkette trennt mich von meinem "Heimattal". Es gibt kein zurück. Die 1600 Hm auf den Col de la Croix de Fer muß ich jetzt noch auf mich nehmen. Zunächst versuche ich aber das Tal nach St. Jean-de-Maurienne runterzurollen. Dies gelingt mir aber nur bedingt, da es unheimlich windig ist und ich sehr viel treten muß. In dem Ort verpflege ich mich erst einmal. Wasser und ein Schokoriegel. Dann geht's weiter. Die Auschilderung ist bescheiden, da Schilder abgeklebt sind und irgendwelche Umleitungszeichnen drauf sind. Englisch spricht hier leider auch keiner mehr. Ich fahre los, kann ja nur bergauf gehen. nach 100 Hm frage ich lieber noch mal nach und erfahre das ich gerade nach la Toussouire fahre, dem Etappen ziel von vor zwei Tagen. Scheiß! Zurück und noch mal genau geschaut. Ahhh da: -> "Col de la Croix de Fer" hier bin ich richtig. Irgendwie kommt mir das nach 10 km auch spanisch vor und ich merke beim vergleichen der Strassennummern, daß ich mich auf dem Weg zum Col du Mollard befinde. Irgendwas hatten unsere Campingnachbarn von einer Umleitung gesagt, aber das man noch einen Berg fahren muß, wußte ich nicht. Kacke! Es bleibt mir nichts anderes übrig. Das schlimmste ist, das ich nicht weiß was mich beim Col du Mollard erwartet. Aus der Karte ist die Höhe der Abfahrt zurück auf die Passstraße zum CdF nicht ersichtlich. Bei der Touretappe sind sie ihn auch gefahren. Da war es ein 2er, d.h. schätzungsweise nochmal 500 Hm drauf. Ach du Kacke. Moralisch bin ich am Ende 120 km und 2500hm habe ich schon in den Beinen und jetzt das. Ich trete in dem tristen Wald auf einer schlechten, engen Strasse, wo mir hauptsächlich LKWs entgegenkommen und seniere über Taxis, Übernachtungsgelegenheiten in St. Jean-de-Maurienne, mögliche Busfahrpläne, Abholung durch die Campingnachbarn und barfuß zu Schieben. Die Zeit habe ich noch nicht ausgereizt, aber es wird knapper. Ich rechne mit einer Gipfelankunft auf dem CdF um 19.00. Und schon bin ich bei meiner Lieblingsbeschäftigung, wenn ich mich vom Schmerz und moralischen Tief ablenken will. Rechnen! Ich Stoppe die Zeiten, die ich für je 100Hm brauche. Ich beschäftige mich selbst. Ziel ist nur noch der Col du Mollard. Was danach kommt interessiert erstmal nicht. Und schwups bin ich in einem wunderschönen Ort namens Albiez-le-Vieux. Dort gibt es, wie in allen Orten, eine Brunnen mit "Eau Potable".
Hier erfrische ich mich und kommuniziere mit einem französischen Rennradfahrer. Ich will wissen, auf welcher Höhe man nach der Abfahrt wieder auf die Passstrasse kommt. Wir versuchen uns zu verständigen, in dem wir Zahlen mit dem nassen Finger auf den Brunnenrand malen, aber wir kommen zu keinem Ergebnis, das mich befriedigt. Trotzdem eine nette Begegnung. Der Col du Mollard (1638m) liegt praktisch im Ort.
Nach einem Colfoto mit Selbstauslöser und 10 Minuten Abfahrt bin ich im Bilde. Auf der Kreuzung, die an einer Felswand hängt, zeigt mein Tacho 1243 Hm, also 400 Hm mehr.
Der letzte Aufstieg beginnt. 800 Hm bis zum Col de la Croix de Fer. Auch diese schaffe ich nach dem ich mich noc hmal in St. Sorlin d'Arves mit Cola, Kitkat und Wasser versorgt habe.
Vor 19 Uhr erklimme ich den Col de la Croix de Fer (2067m) und lasse mich von zwei älteren Damen, die mir respektvoll Beifall spenden, fotografieren. Ich schreibe eine SMS an meinen Bruder und will mich aber jetzt auch nicht mehr lange aufhalten. Ich ziehe meine Windjacke an und begebe mich auf die Abfahrt, auf welcher ich zwei Tage zuvor fast den Polizisten umgemäht hätte. Gott sei Dank kenne ich die zwei Gegenanstiege der Abfahrt und habe mich schon seelisch darauf eingestellt. So kann ich auch diese noch mit der Euphorie des "bald-geschafft-haben", erklimmen. Auf der Abfahrt riskiere ich nichts mehr. Lieber ein paarmal zuviel gebremst, als wegen Unkonzentriertheit und Kraftmangel noch Tapete an Felswand oder Strasse zu lassen. Um kurz vor 20 Uhr laufe ich überglücklich wieder auf unserem Campingplatz ein.
178,1 km und 4290 Höhenmeter. Das war meine persönlich Königsetappe.
Die Elektolyte müßen natürlich schnell wieder aufgefüllt werden. Zum Essen gibt es lecker Pfannkuchen vom Mittag, die ich gleich in mich reinstopfe und als Abschlussessen einen ALDI-Linseneintopf. Hört sich zwar scheiße an war aber saugut.
Das war Frankreich. Wieder ein tolles Erlebnis. Und es stand gott sei dank nicht nur die Tour im Mittelpunkt.
So! Saugute Nacht.
b-l-a-u